Peak Performance in Pinxi

Fertig Trübsal geblasen! Nach der etwas deprimierenden letzten Episode braucht es mal wieder ein erfreulicheres Tagebucheinträgli!

[Warnung: dieser Beitrag enthält (zu) viele Bilder]

Eigentlich war am gestrigen Sonntag ja Ostern, aber hier in Taipei war davon nichts zu spüren. Weit und breit keine Eier und keine Hasen zu sehen.; ich glaube kaum jemand wusste davon (im Gegensatz zu Weihnachten, das in ganz Asien, auch in unchristlichen Gegenden, kommerziell ausgeschlachtet wird). Auch die hiesigen Wettergötter scheinen mit den Ostersitten nicht sehr vertraut zu sein, anders kann ich mir auf jeden Fall nicht erklären, dass just auf’s Wochende hin eine Wetterbesserung bis hin zu „sonnig“ angekündigt war.

Mit schöne(re)m Wetter in Aussicht, beschloss ich ich am Samstag spontan, endlich meine mitgeschleppten aber bisher ungenutzten Wanderschuhe auszupacken. Ich war ja bereits im März einmal wandern (siehe Bericht vom 20. März), dabei handelte es sich aber eher um einen Spaziergang über den Berg, den ich problemlos in den Strassenschuhen absolvieren konnte. Nun stand mir der Sinn nach einer etwas fordernderen Variante. Auf meiner ständig wachsenden TODO-Liste gab es bereits seit Längerem den Punkt „Taiwanesischer Dschungel“; insbesondere auch deshalb, weil ich die riesigen Farnbäume, die es hier überall gibt, unbedingt einmal in Echt sehen wollte. Nach etwas Recherche im Netz fand ich eine Wanderung, die nicht nur viel Natur, sondern auch ein etwas anspruchsvolleres Gelände versprach. Perfetto!

Ich hievte mich also um 6:30 aus dem Bett und packte zwei 飯糰 Fàntuán (gefüllte Reisbälle, ähnlich den japanischen Onigiri, die man in der Schweiz im Coop kaufen kann, aber besser, weil viel mehr Zeug drin!) und ein paar Liter Wasser ein. Dann ging es als erstes per UBike zum etwa 30 Minuten entfernt liegenden 松山站 Sōngshānzhàn, dem zweitgrössten Bahnhof von Taipei, wo ich einen rütteligen Bummlerzug bis nach 瑞芳 Ruìfāng bestieg. Wohlwissend, dass auch die Taiwaner ein wanderlustiges Völkchen sind, hatte ich (wie aus der Schweiz gewohnt) Horden von bunt gekleideten Outdoor-Enthusiasten auf dem Zug Richtung Berge erwartet. Doch dem war überhaupt nicht so. Es hatte kaum Verkehr und um 7:45 Uhr war der Bahnhof komplett verwaist. Nur der Billetschalter und der 7-11 waren offen. In letzterem gab es ausser dem Kaffee-bestellenden Schöberli nur einen einen alten Mann, der sich brummelnd über die fehlenden Tee-Eier beschwerte [1].

Auf nach Pinxi, Hort der guten Wünsche

Nach einer stündigen Fahrt in einem kaum bevölkerten Zug, stieg ich in Ruifang auf einen noch kleineren Zug nach 平溪 Píngxī um. Die Pinxi-Linie ist ein altes Lotterbähnli, welches durch ein wenig erschlossenes Tal in die Berge östlich von Taipei fährt. Die Bahn ist bekannt dafür, dass sie in den meisten Dörfern im Schritttempo mitten durch die Häuser fährt, mit wenig oder ganz ohne Abschrankungen. Ich habe nur ein schäbiges Bild davon, aber das Tourismusbüro von Taiwan (und natürlich das Internet) hat besseres Material am Start.

Wenn „Nahe an der Bahn gelegen“ eine neue Bedeutung erhält
Im Bummelzug nach Pinxi

Pinxi ist nicht zuletzt auch deshalb sehr bekannt, weil die Leute von dort traditionellerweise zur Zeit des Laternenfestes (ca. Februar) hunderte, wenn nicht tausende von 天燈 Tiāndēng (bunte Heissluftballone aus Seidenpapier) in den nächtlichen Himmel steigen lassen.

Ich bin jedoch nicht nach Pinxi gekommen, um Laternen steigen oder mir vom Zug die Zehen plattfahren zu lassen. Nein, ich bin hierher gereist, um die famosen Pinxi-Felsen zu besteigen. Bei diesen Minibergen handelt es sich um drei dramatisch aus dem Dschungel aufragende Felsnasen, die über ellenlange Treppen und Leitern bestiegen werden können und von deren Spitze man eine fantastische Aussicht über die umgliegende Landschaft hat. En Détail:

  1. Filial Son Mountain (孝子山/Xiàozǐ Shān) – 360m
  2. Loving Mother Mountain (慈母山/Címǔ Shān) – 410m
  3. Mount Putuo (普陀山/Pǔtuó Shān) – 450m

Der Wanderweg den Berg hinauf beginnt ganz gemütlich.

Level 1 Wanderweg in Taiwan

Kurze Zeit später erreiche ich über immer steiler werdende Treppen eine Kreuzung. Von hier aus lassen sich die drei bereits erwähnten Berge reihum besteigen.

Munteres Treppensteigen im Urwald, es wird steiler

Das Gelände wird noch steiler und der Weg ist auf den letzten Abschnitten mit Seilen gesichert.

Alle Treppen sind recht einfach zu begehen, aber die Stufen sind teilweise hoch und steil. Es fliesst einiges an Schweiss…

Wie lange hat es wohl gedauert, bis alle diese Stufen rausgeschlagen waren?

Die allerletzten paar Meter werden bei einem der drei Felsen mittels einer Leiter überwunden.

Xiaozi Shan

Nach einer etwas anstrengenden Kraxelei ist erste Gipfel erreicht. Drei Gottheiten wachen über die Gesundheit der Besucher und geben ihren Segen für die nächste Besteigung.

Die Aussicht ist fantastisch, von jedem der drei Gipfel sieht man natürlich die jeweiligen anderen zwei Felsen, alle ragen steil aus dem dicht bewaldeten Gelände auf. Auf den Gipfeln hat es oft nur wenig Platz. Zum Glück hat es heute nur kaum Leute, so dass die Zugänge beim hoch- und runtersteigen nicht ständig verstopft sind.

Es ist kurz nach Mittag, als ich den letzten der drei Gipfel bestiegen und meinen zweiten Reisball verschlungen habe. Die Temperatur ist sehr angenehm, ich habe immer noch viel Wasser übrig und in meinen Beinen ist noch Saft. Daher beschliesse ich, über einen weiterführenden Pfad noch ein wenig das Hinterland zu erkunden. Abseits der für das breite Publikum erschlossenen Felsen wird der Weg rasch deutlich weniger komfortabel und ähnelt schon bald einem weiss-rot-weissen Schweizer Bergwanderweg.

Schliesslich, nach einer letzten Abzweigung, befinde ich mich nur noch auf einem Trampelpfad durch den dichten Wald. Das Gelände bleibt wild und uneben, an vielen Orten muss man sich an Wurzeln und Ästen halten oder hochziehen, um Steigungen zu überwinden. Dann verläuft der Weg eine Zeit lang eben auf einem Rücken, links und rechts geht es steil den Berg runter, das Emmental lässt grüssen. Ab und zu hat es Markierungspfosten mit GPS Koordinaten.

Auf zum 臭頭山 Chòutóu Shān, dem „Stinkenden Kopf Berg“

Auf dem Handy habe ich am Vortag den Verlauf aller Wanderwege in der Umgebung heruntergeladen und kann so verifizieren, dass ich nicht vom geplanten Weg abgekommen bin. Während der GPS-Track des Pfades ziemlich gut stimmt, ist die Karte selber nicht all zu genau; insbesondere die Höhenlinien sind nur als grobe Annäherung zu verstehen. Wie sollte man auch wissen, wie es unter diesem ganzjährig dicht überwachsenen Gelände wirklich aussieht! Für eine weitere Stunde geht es weiter durch die knallgrüne Waldlandschaft mit allerlei wunderschönen Pflanzen, immer weiter den Berg hinauf.

Schlussendlich gelange ich an eine beinahe senkrecht aufragende Felswand. In einem etwa 50m ansteigenden Einschnitt sind einige Seile ausgelegt und es gibt wenige, grob in den Fels gehauene Tritte, die allerdings glitschig sind.

Zeit umzukehren, das Schicksal fordere ich ein anderes mal heraus

Ich bin schon eine ganze Weile unterwegs und nicht mehr ganz frisch. Mich hier ohne Sicherung mehrere Dutzend Meter hoch an Seilen bis ans obere Ende der Felswand hochzuziehen ist mir zu gefährlich. Ich bin alleine unterwegs; falls ich ausrutsche, mich nicht zu halten vermag und abstürze, dann kann das hier ein übles Ende nehmen.

Ich mache also rechtsum kehrt und trotte den ganzen Weg wieder zurück. Macht nix, die Landschaft lässt sich auch in die andere Richtung gehend geniessen.

Zur Erinnerung: Taipei ist nur etwa 30km Luftlinie entfernt

Immer wieder sieht man die bereits zu Beginn erwähnten urzeitlichen Farnbäume. Huch, was raschelt dort? Ist es ein Rudel Velociraptoren? Schluck!

Jurassic Park lässt grüssen!

Schlussendlich erreiche ich mit leicht heraushängender Zunge am späteren Nachmittag wieder Pinxi. Den abgehenden Zug habe ich gerade verpasst und muss darum eine Stunde warten. Ich gönne mir einen Teller gebratene Wildsau aus der Gegend und beobachte von der Restaurant-Terrasse aus den Touristentrubel.

Zahlreiche Besucher machen von der Möglichkeit Gebrauch, auch ausserhalb der Laternenfestival-Zeit einen Ballon zu den Göttern aufsteigen zu lassen. Dass die Himmelslaterne bei Tageslicht nicht ganz so romantisch leuchtet ist kein Hinderungsgrund, denn das Götterbüro ist rund um die Uhr offen.

Damit die eigenen Wünsche bei der spirituellen Obrigkeit ankommen, muss folgendes getan werden:

Schritt 1: In einem der vielen Läden einen Ballon in der gewünschten Farbe kaufen. Die Farbe ist keine Frage des Geschmacks, sondern sollte entsprechend den Wünschen an die Zukunft ausgewählt werden. Rot: gute Gesundheit, Gelb: Reichtum, Orange: Glück, Pink: Liebe, Violett: Intelligenz, Pfirsichfarben: Glückliche Partnerschaft, Weiss: Strahlende Zukunft (was immer das bedeuten mag), Grün: Prüfungsglück, Hellblau: Erfolg bei der Arbeit. Die Ladenbesitzer sind natürlich nicht auf den Kopf gefallen und bieten auch Ballone mit 4, 6, 8 und 9 Farben an, wobei jede zusätzliche Farbe eine Handvoll (Taiwan) Dollar mehr kostet; das unermüdlich schaffende Schicksal muss schliesslich auch von etwas leben.

Schritt 2: Der Ballon wird dicht mit den eigenen Wünschen für die nahe oder ferne Zukunft beschrieben.

Schritt 3: Gruppenfoto mit Ballon

Schritt 4: Brenner montieren, anzünden, warten.

Schritt 5: Sobald genügend heisse Luft im Ballon: steigen lassen, jubeln, Bye Bye winken und Foto Foto Foto!

Das ist wirklich ganz nett anzuschauen, die Leute sind alle total happy. Leider muss ich nach meinem mehrstündigen Waldschrat-Trip anfügen, dass es mit der Umsetzung von Schritt 6 noch etwas hapert: nämlich all die abgestürzten Ballone wieder aus den Baumkronen und dem Unterholz in der umliegenden Natur einzusammeln…

One day, I want to be a beautiful butterfly!

Für mich gibt’s deshalb keinen Ballon, ich gönne mir aber, 7-11 sei Dank, zur Feier des perfekt verlaufenen Tages ein Kägifret; wie es sich für die Einkehr nach einer anstrengenden Wanderung gehört.

Danach geht’s mit dem Ruckelzug wieder zurück nach Taipei, wo ich nach meiner Ankunft erschöpft, aber äusserst glücklich, in mein Bett falle. Die Oberschenkel rupfen bereits ein wenig, ich glaube, ich kann mich auf einen ziemlichen Muskelkater gefasst machen.

The End

Doppelt gemoppeltes Ende! Diese Episode markiert nämlich auch offiziell das Ende meiner Krise!

Die Götter haben meine Wünsche offenbar auch ohne Ballonvehikel erhalten und mir letzte Woche eine neue Lehrerin vermittelt (Grund dafür war, dass sich ein anderer Schüler offenbar kurzfristig dazu entschlossen hat, lieber Taiwan zu bereisen als Chinesisch zu lernen; Thanks mate!). Mit der neuen Lehrerin verstehe ich mich bestens und somit sieht es tatsächlich so aus, also ob der Rest meiner Schulzeit noch in absolut regulären Bahnen verlaufen würde. Meine Motivation ist zurück, die Lernmüdigkeit ist überwunden, ich bin ready für den Endspurt!

Es gilt deshalb ab sofort wieder: 加油! Jiā yóu (hopp, hopp; lit. „Öl hinzufügen/Sprit tanken„)

拜拜, 堯逸遠 - chb

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[1] Tee-Eier, 茶葉蛋 Chá yè dàn, sind ein super Snack, den es typischerweise in jedem Minimarkt wie 7-11 oder Family Mart zu kaufen gibt. Die Schale von hart gekochten Eiern wird leicht aufgeschlagen, danach werden die Eier in einen Sud aus Tee (normalerweise Oolong-Tee) und Gewürzen eingelegt. Durch die Risse der aufgeschlagenen Schale dringt der Sud ins Ei ein, färbt es braun, und gibt zusätzlichen Geschmack.

Ich weiss nicht, warum es an diesem Sonntagmorgen keine Tee-Eier in diesem 7-11 zu kaufen gab; vielleicht wegen der Eierkrise, die vor gut zwei Monaten begann und immer noch anhält. Taiwan hat seit Februar zuwenig Eier, weil die Hühner auf der Insel offenbar nicht genügend Output produzieren; das Thema beherrscht seit Wochen die täglichen News und erhält mindestens gleichviel Gewicht wie die chinesischen Flottenmanöver, wenn nicht mehr. Der Preis für ein einzelnes Ei hat sich seit Februar beinahe verdoppelt, und die Regierung kauft händeringend Milllionen von Eiern im Ausland ein…

[2] Auch dazu gibt es im Internet jede Menge spektakuläre Bilder.

Das chinesische Zeichen für Krise…

Das chinesische Wort für ‚Krise‘ bedeutet auch ‚Chance‘.

John F. Kennedy soll das ursprünglich gesagt haben und auch Nixon’s Redenschreiber fanden den Spruch grossartig. Man kann es Ihnen nicht verdenken; es handelt sich um eine erstklassige Kalenderweisheit. Wer die Karre an die Wand gefahren hat, kann nachher aufs Velo umsteigen!

Aber auch wenn sich zahllose Schlaumeier dieses Bonmot auf geschundene Haut tätowieren lassen, so wird es doch nicht wahr; es ist Quatsch. Das chinesische Wort für „Krise“ ist 危機 Wéijī , das Wort für „Chance“ ist hingegen 機會 Jīhuì. Beide Wörter enthalten das Zeichen 機 , dieses wird jedoch kaum je alleinstehend verwendet; je nach Verwendung ist seine Bedeutung Maschine, Möglichkeit oder Wendepunkt. Aber wenn’s nicht wahr ist, so ist es wenigstens gut erfunden!

Wie dem auch sei, bei mir ist auf jeden Fall letzte Woche die Krise eingetrudelt: Tante Misère, Onkel Desaster, Schwester Malaise und Bruder Schlamassel, alle gemeinsam zu Besuch! Ich habe mich ja schon im Februar gefragt, wann ich wohl in diese Phase eintreten würde, und voilà: nach knapp 6 Wochen war es soweit.

Ich empfand auf einmal übermässig, dass ich immer noch überhaupt nichts könne; dass alles, was ich bis jetzt gelernt hatte, komplett für die Katz‘ sei, weil ich im täglichen Leben kaum je erfolgeich davon Gebrauch machen konnte (wie ich bereits im letzen Bericht andeutete). Und weil ein Unglück selten von alleine kommt, entschloss sich meine Hauptlehrerin just zu diesem Zeitpunkt und ohne Vorwarnung ihr Mandat an den Nagel zu hängen. So kam es, dass mir von einem Tag auf den anderen, eine neue Fachkraft für schulischen Unterricht vor die bereits blutig geschlagene Nase gesetzt wurde.

Illustratives Lehrstück, ohne Zusammenhang

Mit der neuen Lehrerin kam ich vom ersten Augenblick an überhaupt nicht zurecht. Sie spricht nur ungebremstes Chinesisch mit einem relativ starken taiwanischen Akzent. No English. Am ersten Tag verstand ich den ganzen Tag lang nur Bahnhof, nur etwa geschätzte 10% von all dem, was sie zu mir sagte, kamen bei mir an. Bei einem 6-stündigen Unterrichtstag ergibt das sehr sehr viel Unverstandenes. Dazu kam, dass auch ihr Unterrichtsstil komplett anders war: Da sie das Lehrmittel der Schule nicht kannte, benutzte sie es nur wenig, was mir das Gefühl gab, dass der Unterricht kaum Struktur hatte. Sie gab mir Hausaufgaben, die weit über meinen Fähigkeiten lagen und die mich beinahe zur Verzweiflung trieben. Nach dem zweiten Unterrichtstag gingen bei mir die Lichter aus, mein Hirn fror komplett ein, und in schauriger Erwartung des dritten Tages schlief ich hundsmiserabel. Kurz gesagt: Die Hütte brannte, Holland war in Not und bei mir war Matthäi am Letzen. Ich hatte die Freude am Chinesischlernen komplett verloren und überlegte mir ernsthaft, damit aufzuhören. Wie in einem Roman von Adalbert Stifter herrschte während dieser Zeit passenderweise saumässig mieses Wetter; es sträzte, was es sträzen mochte und das Thermometer zeigte um die 16°C; im ungeheizten Zimmer war es Abends 真的不太舒服, zhēn de bú tài shūfú, wirklich nicht sehr gemütlich.

Am letzten Freitag habe ich schliesslich einen Notruf an die Schule abgesetzt, allerdings ist dummerweise gerade jetzt ein sehr langes Feiertagswochenende (Sa-Mi) und ich habe bisher noch keine eindeutige Antwort erhalten. Ich hoffe inständig, dass ich den auf Grund gelaufenen Kahn wieder flott bekomme.

Natürlich hatte das Auswirkungen auf meinen PLHS Score!

Hellgrün ist immer noch 2 Stufen von Supagreen entfernt!

In der letzten Woche (#7) ging es, wenig überraschend, überhaupt nicht vorwärts. Eigentlich müsste ich den Score für Lesen (L) und Sprechen (P) sogar reduzieren. Meine Performance im Unterricht war nämlich absolut unterirdisch, weil mein Hirn nur noch mit Notstrom lief [1].

Bladerunner-Stimmung in Taipei

Heute Mittwoch, 5. April, ist es in Anbetracht der erlittenen Havarie an der Zeit eine erste Bilanz zu ziehen. Captain’s Logbook entry, sozusagen. Mein ursprüngliches Ziel war ja, besser Chinesisch als Französisch zu sprechen [2]. Inzwischen musste ich aber feststellen, dass mein Französisch gar nicht so schlecht ist! Wenn also nicht noch ein Wunder passiert, dann wird das definitiv nix und ich muss meine Erwartungen etwas nach unten anpassen.

Werde ich im Mai also so gut Chinesisch können wie Schwedisch oder Spanisch? Hmm… vielleicht. Ich denke der Wortschatz ist mittlerweile etwa gleich gross oder sogar etwas grösser, aber die Schweden und Spanier verstehen mich vermutlich besser. Lesen ist natürlich sowohl auf Spanisch wie auch auf Schwedisch kein grosses Problem, in Schwedisch kann man die Hälfte aller Wörter aus dem Deutschen ableiten, im Spanischen hilft Französisch enorm. Das heisst, beim aktiven Sprechen komme ich wohl in die Nähe, beim passiven Verständnis (Hören und Lesen) kann mein Chinesisch im Vergleich einpacken.

Es bleibt mir als Trost, dass ich am Ende wohl besser Chinesisch als Russisch und Italienisch sprechen werde. Allerdings kann ich in Italien die Speisekarten definitiv besser lesen; was bei dortigen Aufenthalten, zusammen mit der Fähigkeit, ebendiese Speisen auf italienisch zu bestellen, ein unschlagbares Plus ist. Zudem dürfte ich beim Karaoke mit italienischen Canzoni mehr Herzen gewinnen als mit chinesischen Schlagern.

Wenn dir das Leben Spargeln gibt, mach Spargellimonade

Wie geht es weiter? Auch wenn der Spruch mit den chinesischen Zeichen für Chance und Krise auf alternativen Fakten basiert, so bin ich doch mit seiner Kernaussage einverstanden: jede Krise kann auch eine Chance sein (vermutlich stimmt das auch umgekehrt, gibt es darüber Bücher?).

In aller Regel tritt man aus überstandenem Ungemach gestärkt hervor. Das einzige was ich weiss, ist dass eine Änderung geben muss – ob diese zum Besseren oder Schlechteren sein wird, werden wir sehen. Ich bleibe sorgfältig optimistisch, es bleiben gut zwei Wochen Unterrichtszeit, ich habe immer noch eine fantastische Lehrerin und Ende April, nach Abschluss meines Kurses und bevor Dominique eintrudelt, werde ich noch 10 Tage lang per Velo in den Süden Taiwans fahren. Das wird der definitive Praxistest, denn abseits der grösseren Städte wird nur relativ wenig Englisch gesprochen (wenn ich Pech habe aber auch kein Mandarin, die Mehrheit der Taiwaner spricht nämlich von Haus aus Taiwanesisch).

Das Leben braucht mehr Slogans

Lassen wir uns also überraschen!

拜拜了, euer 堯逸遠

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[1] Aufmerksamen Lesern wird es nicht entgangen sein: In Spalte „H“ ging es in der vorletzten Woche mit dem Hörverständnis deutlich vorwärts. Der Grund dafür ist wohl der folgende: seit der Erkenntnis, dass Hörverständis meine grösste Schwäche ist, konsumiere ich in fast jeder freien Minute Podcasts und Youtube-Videos mit „Chinese listening practice“. Diese Gewohnheit trägt nun langsam Früchte: Zwar fehlt mir nach wie vor viel Vokabular, aber ich kann zunehmend auch in sehr schnell (lies: normal) gesprochenem Chinesisch Wörter oder Halbsätze erkennen und hin und wieder kapiere ich sogar ganze Sätze oder Satzfolgen, hooray! Ich habe den Eindruck, dass sich dieser Trend auch in der vergangenen Woche – trotz gegenteiliger Erfahrung im Unterricht – weiter fortgesetzt hat.

Youtube ist wirklich ein fantastisches Hilfsmittel, um Sprachen zu lernen. Es gibt Myriaden von sehr guten und unterhaltsamen Lernvideos, von Grammatiklektionen über vorgelesene Texte, die spezifisch das Hörverständnis trainieren, bis zu Soap Operas. Ich gucke mir sogar die nervigen Unterbrecherwerbungen bis zum Ende an, seien sie noch so doof. Hauptsache Chinesisch!

[2] Natürlich war das von Anfang an als Witz gemeint. Ich denke, dass mein Französisch, auch wenn es nülpig ist, sicher einem B1 entspricht (mittleres Niveau). In Alltagssituationen komme ich damit problemlos zurecht. Mein Schwedisch, Spanisch und Italienisch sind wohl ein A1 (Anfänger), ich kann mich sätzchenweise durchschlagen und lese das alles relativ gut. Mein Russisch hingegen ist definitiv ein A0. Von meinem Jahr im Gymi sind nur noch 2 Sätze geblieben, я незнаю und ты говоришь по-немецки, sowie die Fähigkeit, immer noch einigermassen gut kyrillisch lesen zu können..